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Napoleon Bonaparte's Machtherrschaft (Rußland).
bei dem Abgang aller Löschanstalten sich bald zu einem Flammenmeer gestaltete,
neun Zehntel der aus Holz gebauten Stadt nebst der alten Zarenburg
(Kreml), die sich Napoleon als Wohnstätte ausersehen, in Asche legte? Der
Befehlshaber von Moskau, Ro stop sch in, hatte ohne des Kaisers Befehl
diese entsetzliche That angeordnet, um der großen Armee die Winterquartiere
zu rauben und sie zu einem verderblichen Rückzug zu zwingen. Aller Zucht und
Ordnung vergessend stürzten sich die Soldaten in die brennenden Häuser, um
ihre Raublust und Leidenschaften zu befriedigen.
§. 527. Aus Allem ging hervor, daß die Russen einen Vernichtungskrieg
führten und dennoch ließ sich Napoleon in unbegreiflicher Verblendung durch
die arglistig unterhaltene Hoffnung eines Friedens zu einem Aufenthalte von
34 Tagen in Moskau verleiten, ohne einsehen zu wollen, daß Kutusoff ihn bis
zum Eintritt des Winters hinzuhalten suche, damit die Kälte die schlecht geklei-
deten und am Nothdürstigsten Mangel leidenden Soldaten auf dem Rückzug
vernichte. Spät im October wurde endlich der verhängnißvolle Rückzug der
großen Armee angetreten, der in der Geschichte der Kriegsleiden seines Glei-
chen nicht hat. Der anfängliche Plan gegen Kaluga zu ziehen wurde nach der
entsetzlichen Schlacht von Malo-Jaroslaweh aufgegeben und der Weg über
das leichenbedeckte Schlachtfeld von Borodino nach Smolensk angetreten. Im
November stieg die Kälte auf 18 Grad und erreichte später 27. Wer vermöchte
alle Leiden, Kämpfe und Mühseligkeiten zu schildern, durch welche die große
Armee in dem strengen Winter allmählich aufgerieben wurde? Hunger, Frost
und Ermattung richteten größere Verheerungen an als die Kugeln der Russen
und die Lanzen der Kosaken. Es war ein Anblick zum Entsetzen, Tausende von
verhungerten oder erfrornen Kriegern an der Heerstraße und auf den öden mit
Schnee und Glatteis überdeckten Steppen abwechselnd mit gefallenen Pferden,
weggeworsenen Waffen und kostbaren Beutestücken liegen zu sehen. Kutusoff,
der in einer Proclamation den Brand von Moskau den Franzosen zuschrieb,
um das Volk noch mehr zum Haß gegen dieselben zu entflammen, wich den
Feinden nicht von der Seite und zwang sie, jeden Schritt zu erkämpfen. Als
um die Mitte des November Smolensk erreicht wurde, zählte das Heer noch
etwa 40,000 streitbare Soldaten; über 30,000 wehrlose Nachzügler folgten
ohne Zucht, Ordnung und Führung den Spuren der Vorangegangenen, ein
Bild des Jammers und Entsetzens. Und Doch begann das größte Elend erst
hier, weil durch fehlerhafte Anordnung die erwartete Zufuhr von Waffen, Klei-
dern und Lebensmitteln sich in Smolensk nicht vorfand, und die Feinde in ver-
stärkter Zahl den Ziehenden den Weg verlegten. Der Held des Rückzugs war
Ney, der Führer der Nachhut, „der Tapferste der Tapfern." Sein Uebergang
über den gefrornen aber theilweise aufgethauten Dnepr zur Nachtzeit war eine
der kühnsten Kriegsthaten, deren die Weltgeschichte gedenkt. Am 25. Nov. ge-
langte das Heer an den ewig denkwürdigen Fluß Beresina. Im Angesicht
der feindlichen Armee wurden zwei Brücken geschlagen und der kleine Rest, der
sich noch in Reih und Glied bewegte, unter unzähligen Gefahren hinüberge-
sührt, aber gegen 18,000 Nachzügler, die nicht zeitig genug ankamen, fielen in
die Hände der Feinde. Wie viele in den kalten Fluchen des Flusses zwischen
den Eisschollen ertranken, oder bei dem entsetzlichen Gedränge zertreten und
zerdrückt wurden, konnte Niemand berechnen. Nach dem Uebergang über die
Beresina hatte Napoleon noch 8000 kampffähige Soldaten. Ney war der
letzte Mann der Nachhut. Halb Europa hatte zu trauern. Am 3. December
erließ Napoleon das berühmte 29. Bülletin, das den harrenden Völkern,
die seit Monaten ohne Nachricht geblieben waren, die Kunde brachte, daß der
23*
24. Oct.
26—29
Nov.
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Napoleon Borodino Ney Napoleon Napoleon
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Neueste Geschichte.
König von Preußen einfanden, um demmächtigen, der jetzt halb Europa gegen
Rußland unter die Waffen rief, ihre Huldigungen darzubringen. Nach einem
zehntägigen Aufenthalt in der glänzenden Fürstenversammlung eilte Napoleon
zu seinem gegen eine halbe Million starken Heere, das mit mehr als 1000 Ka-
nonen und 20,000 Packwagen zwischen Weichsel und Niemen zerstreut aufge-
stellt war. Der linke Flügel, größtentheils aus Preußen und Polen unter
Macdonalds Führung bestehend, berührte die Gestade der Ostsee; der
rechte, den das von Schwarzenberg geführte östreichische Hülfsheer mit
einer französischen und sächsischen Truppenabtheilung unter Regnier bildete,
stand am untern Bug der russischen Südarmee gegenüber; das Hauptheer, das
Napoleon selbst befehligte und unter ihm die geübtesten Feldherren aus seiner
Äl Schule, setzte im Juni über den Niemen und rückte in Wilna ein. Die
i8i2. scheinung der Franzosen weckte in den Polen große Hoffnungen und kriegeri-
sche Begeisterung. Der Reichstag von Warschau sprach die Wiederherstel-
lung deskönigreichspolen aus und beschloßdiebildung einer General-
conföderation. Aber Volksbewegungen waren nicht nach Napoleons Sinn;
er untersagte die Erhebung in Masse und schlug die Begeisterung nieder, als er
erklärte, aus Rücksicht für Oeftreich könne er nicht in die Wiederherstellung der
polnischen Republik in ihrer ganzen Ausdehnung willigen. Dennoch stritten
polnische Krieger unter Poniatowski und andern Führern mit gewohnter
Tapferkeit unter Napoleons Adlern, und das polnische Volk unterstützte nach
Kräften die fremden Truppen, die jetzt bei furchtbaren Regengüssen von Wilna
nach Witepök zogen. Moskau „das Herz von Rußland" war Napoleons
Ziel; bald aber merkte er, welchen gewaltigen Bundesgenossen die Russen an
der Natur ihres Landes hatten. Die Wege waren ungangbar, diezufuhr blieb
aus; das arme, schlecht angebaute Land bot wenig Lebensmittel; Krankheiten
minderten die Zahl der Krieger und füllten die Hospitäler.
§.526. Die russischen Feldherrenb arelay de T olly und Bagration
mieden eine Hauptschlacht und lockten den Kaiser immer tiefer ins Innere des
i7. Aug. Landes. Bei Smolensk kam es zuerst zum Kampf; aber nachdem man einen
1812' ganzen Tag ohne Entscheidung gefochten, verließen die Russen in der Nacht die
in Brand gerathene Stadt. Am andern Morgen fanden diefranzosen eine mit
Blut getränkte und mit Leichen bedeckte Brandstätte. In Smolensk wurde
Kriegsrath gehalten; allein so viele Stimmen sich auch gegen die Fortsetzung
des Zugs erklärten, Napoleon bestand auf der Eroberung von Moskau, wo er
zu überwintern und Alexander zu einem Frieden zu zwingen gedachte. Die
Russen murrten über Barclay's Kriegsführung, wie einst die Römer über das
Zaudern des Fabius, weshalb Alexander den General Kutusoff zum Oberan-
sührer ernannte, der als Eingeborner dem Volke näher stand und durch seine
Anhänglichkeit an die religiösen Gebräuche und die allrussischen Sitten und
Gewohnheiten bei dem gemeinen Russen sehr beliebt war. — Die heilige Stadt
Moskau mit ihren zahllosen Thürmen und vergoldeten Kuppeln durfte Kutusoff
nicht in die Hände der Franzosen fallen lassen, wenn er nicht alle Volksliebe
verlieren wollte. Er machte Halt und führte dadurch die mörderische Schlacht
7. Sept. von Borodino an der Moskwa herbei, in der zwar diefranzosen diewahl-
ftatt behaupteten, aber die Russen in Ordnung abziehen lassen mußten. Ueber
70,000 Getödtete und Verwundete^bedeckten das Schlachtfeld; Ney, „der
Fürst von der Moskwa", war der Held des Tages. Am 14. Sept. zogen die
Franzosen in Moskau ein. Der Adel und die wohlhabende Bürgerschaft hatten
die Stadt verlassen. Schon beim Einzug überfiel ein unheimliches Grauen die
Soldaten, als sie in den Straßen blos einiges Gesindel herumschleichen sahen;
aber wer schildert ihr Entsetzen, als der viertägige Brand von Moskau, der
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TM Hauptwörter (100): [T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T87: [Meer Rußland Wolga Stadt Petersburg Moskau See Ostsee Hauptstadt Ural], T9: [Frieden Napoleon Krieg Kaiser Frankreich Friede Preußen Rußland Jahr Franz], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat]]
Extrahierte Personennamen: Napoleon Schwarzenberg Regnier Napoleon Napoleons Napoleons Napoleons Napoleon Alexander Alexander Alexander Alexander Borodino
Extrahierte Ortsnamen: Europa Polen Wilna Polen Warschau Napoleons polnischen_Republik Wilna Witepök Moskau Napoleons Smolensk Smolensk Moskau Moskau Moskwa Moskau Moskau